Sonntag, 14. Oktober 2012

CI-FAQ 2013

Oft werde ich gefragt, was ein CI (Cochlea Implantat) ist, wie es funktioniert und worauf man dabei achten muss. In dieser Sammlung der "Frequently Asked Questions" und Stichworten zum CI erzähle ich nun, was ich zum Thema weiß und/oder aus eigener Erfahrung dazu berichten kann. ;)
Ihr dürft gerne kommentieren und darüber diskutieren, ich werde gerne die Sammlung dann ggf. erweitern und nach und nach selbst erweitern, ergänzen. Und nun: Los geht's!

Was ist ein CI? Es ist eine Hörprothese, die die Funktion der defekten Haarsinneszellen im Innenohr bei (partieller) Taubheit ersetzt und mittels elektrischer Stimulation den Hörnerv reizt und somit einen neuen Höreindruck ermöglicht. (Wikipedia)
Die Prothese besteht aus zwei Teilen, dem Implantat, der unter die Kopfhaut hinter dem Ohr  eingesetzt wird und dem äußerlich ähnlich einem Hörgerät zu tragenden Signalprozessor, der mittels einer Magnetspule per Induktion elektrischen Strom und die Signale auf das Implantat überträgt.

Was leistet im Vergleich dazu ein HG (Hörgerät/Hörsystem)? Ein HG verstärkt mittels eines Verstärkersystems aus Mikrofon, Verstärker und Hörer (Lautsprecher) das akustische Signal, den Schall, um so über 2 bis etwa 20 Frequenzbänder zwischen etwa 100 bis zu 8000 Hz den Hörverlust, d.h. die Differenz zwischen den Hörschwellen des Hörgeminderten und eines Normalhörenden auszugleichen. Dies gelingt bei starker Hörminderung wegen dann zu kleiner Dynamik und ungenügender Verstärkung insbesondere im Störschall nur unzureichend. Es ist dann nicht möglich, damit ausreichendes Sprachverständnis zu erzielen.

Indikation zum CI? Es besteht auf dem Ohr eine an Taubheit grenzende Innenohr-Schallempfindungsschwerhörigkeit oder Innenohr-Taubheit mit maximal 30% Sprachverständnis bei Einsilber. Der Hörnerv muss gewöhnlich hierbei funktionsfähig sein.
Besteht die Gefahr der Verknöcherung des Innenohrs (Otosklerose, Meningitis), ist die möglichst schnelle Implantation eines CI angezeigt. Die Funktion der Hörnerven wird in einer Voruntersuchung überprüft. Sollte der Hörnerv defekt sein, besteht ggf. die Möglichkeit eines Hirnstamminplantates (ABI) mit eher kleinerem Hörerfolg.
Bei mir waren es zuletzt vor der OP 10 bis 20% Sprachverständnis ohne/mit HG bei ca. 100 dB und max. 30% mit beide HG zusammen. 

Motivation zur OP? Ein CI kann nicht das Gehör vollständig (wieder-)herstellen auf das Niveau eines Normalhörenden, sondern es ermöglicht (fast) gehörlosen bzw. tauben Menschen nach/mit einem Lernprozess (über 2 bis 3 Jahre) besser zu hören und leichter mit weniger Stress zu kommunizieren und Sprache zu verstehen als es ggf. noch mit Hörgeräten möglich wäre. 

Was ist Hören? Unsere Ohren sind "nur" die "Mikrofone", d.h. die Empfänger für die Schallwellen. Der eigentliche Prozess des Hörens findet im Hörzentrum im Gehirn statt. Das Hörzentrum benötigt ständig die Reize zur Informationsverarbeitung der ankommenden Schall-/Hörsignale. Fehlen nun die Reize (auf bestimmten Frequenzen) verlernt das Hörzentrum die Fähigkeit zur Verarbeitung der ankommenden Hörsignale. Das Hörzentrum wird ausgebildet hauptsächlich im Kleinkindalter bis zu etwa 2 Jahren (Hörbahnreifung). In einem langwierigen und anstrengendem Lernprozess kann der Hörgeminderte nach Versorgung mit HG od. CI wieder lernen, schrittweise die für ihn ungewohnten, oft zuerst subjektiv zu lauten Töne/Frequenzen und Geräusche zu tolerieren, d.h. als normal zu empfinden, zuzuordnen und danach im weiteren Schritt auch wieder Sprache zu verstehen. D.h. umgekehrt auch, dass eine Versorgung mit Hörsystemen oder CI für einen optimalen Hörerfolg möglichst umgehend erfolgen sollte, nicht wie so oft erst nach Jahren schleichender, stärker werdender Schwerhörigkeit. Ebenso ist daher die Wahrscheinlichkeit für einen guten Hörerfolg gering, wenn die Taubheit schon seit der Geburt besteht, wenn nicht im 1. Lebensjahr dann eine Versorgung mit CI erfolgt. - Aber auch ich konnte schon staunend Ausnahmefälle erleben, die trotz jahrzehntelanger Gehörlosigkeit seit Geburt und ohne Versorgung mit Hörhilfen dann nach Versorgung mit CI innerhalb von 2-3 Jahren guten Hörerfolg erzielen!

Wie wichtig ist die Hörbiographie für den Hörerfolg mit CI? Je kürzer eine Taubheit besteht, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für einen guten und schnellen Hörerfolg mit CI, siehe dazu die letzte Frage "Was ist Hören?"! Spätertaubte haben daher vergleichsweise sehr große Chancen mit dem CI wieder gut hören und verstehen zu können. Bei jahrzehntelanger (partieller) Taubheit oder Gehörlosigkeit muss man sich daher dagegen auf einen sehr langwierigen, schwierigen Lernprozess über Jahre einstellen bis vielleicht guter Hörerfolg eintritt. Ganz niedrig ist die Wahrscheinlichkeit, falls keine Hörbahnreifung erfolgen konnte, d.h. man schon seit Geburt taub ist.

Zusammengefasst: der Hörerfolg ist individuell sehr unterschiedlich und hängt neben vielen anderen, medizinischen u. physikalischen Faktoren, insbesondere der Funktionsfähigkeit der Hörnerven(-fasern), Dauer der Hörschädigung, ob die Hörschädigung schon seit Geburt /als Kleinkind besteht, und nicht zuletzt, wieviel Strom toleriert werden kann, auch von der Plastizität - Anpassungsfähigkeit - des Gehirns und Hörzentrum und nicht zuletzt vom Willen, Neugier, Geduld und einer positiven Einstellung zum Lernen des neuen Hören ab! Der Prozess muss unterstützt werden durch eine gute Nachsorge mit regelmäßigen Anpassungen! Nichts ist kontraproduktiver für den Hörerfolg, als mit falschen Erwartungen sich implantieren zu lassen und dann zu verzweifeln! Es ist eben nicht alles mit einer OP getan! Auch Kinder und Jugendliche müssen offen und ehrlich aufgeklärt werden über die Möglichkeiten und Grenzen von CI's, denn sie müssen selbst hören wollen, damit die Zeit der Anpassung nicht allzu schwer wird!

Durchschnittlich erzielen die CI-Träger ein Sprachverständnis von etwa 70% in Einsilber.

In meinem Fall ist es so, dass seit Geburt eine partielle Taubheit besteht, d.h. ab etwa 2000 Hz praktisch keine Hörreste vorhanden waren und sind. Dies macht nun bei der Anpassung des CI den Prozess nun sehr langwierig, da ich nun im Hochtonbereich ab 2000 Hz, die Lautstärken, die eigentlich sein müssten, um die Hörschwelle bei etwa 20 dB zu erreichen, noch nicht ertragen kann. Der Gewöhnungsprozess ist nun nach einem Jahr noch immer nicht abgeschlossen. Es wird eher ein lebenslanger Prozess sein, in dem das Hören mit CI immer besser wird. Gut ist:  Altersschwerhörigkeit gibt's  da nicht mehr, es kann nur immer besser werden ;)!

Jetzt im März/April 2013 habe ich links das 2. CI erhalten, das fast sofort nun ähnlich gut ist wie das rechte CI nach 15 Monaten Übung, näheres dazu könnt ihr hier nachlesen! Das Training des Hörzentrums durch das 1. CI und die etwas besseren Voraussetzungen beim linken Ohr scheinen zu diesem Erfolg geführt zu haben!

Anderes Beispiel: Meine Frau hat sich nun im April 2013 ebenfalls links implantieren lassen mit Med-El Concerto und Elektrodenträger Flex28: sie hat einen phänomenalen Start! Versteht mich und unsere Tochter nun in der 2. Woche seit der EA mit dem CI allein problemlos, sogar am Telefon versteht sie schon jetzt die Ansagen! Im Alltag ist das CI ihr noch zu leise und es hört sich noch sehr verzerrt an: Stimmen zu leise, neue Nebengeräusche dagegen sehr laut und dominant... Das ist anstrengend und wird mit dem Gewöhnungsprozess und den nächsten Anpassungen sicher besser werden.

Sie war als Kind mittelgradig schwerhörig, später und bis jetzt an Taubheit grenzend und seit dem 4. Lebensjahr mit HG versorgt. Es zeigt, wie wichtig es ist, bzw. es von Vorteil ist, wenn die Ohren nicht zu lange unversorgt sind bzw. nicht wenigstens mit HG gut stimuliert werden. Ich  tippe hier darauf, dass sie in 6 Monaten sehr gute Werte im Sprachverständnis erreichen kann! ;)

Wie erfolgt die Operation zur Implantation des Implantates? Die Operation erfolgt bei Vollnarkose und dauert meist etwa 2 Stunden. Es erfolgt heute ein Schnitt fast direkt am Ansatz hinter dem Ohr. Dann wird ein Knochenbett geschaffen für das Implantat und der Zugang zum Innenohr gebohrt. Danach wird der Elektrodenträger in die Cochlea eingeführt, alles fixiert und wieder zugenäht und/oder geklebt. Wenn keine Komplikationen auftreten, darf man meist nach etwa 3 Tagen wieder nach Hause. Wegen der Wundheilung ist man dann etwa 3 Wochen krank geschrieben. In dieser Zeit sollte man keine schweren Lasten heben. Anstrengungen sind zu vermeiden. Ebenso sollte man vor allem in der ersten Woche nach der OP das Niesen vermeiden bzw. nur mit offenem Mund niesen! Beim Haare waschen muss darauf geachtet, dass die Narbe nicht nass oder feucht wird! Besser ist es daher, einige Tage auf das Haare waschen zu verzichten.

Risiken der OP? Neben den üblichen Risiken einer Operation bei Vollnarkose besteht noch ein gewisses Risiko, dass Gesichts- und/oder Geschmacksnerv verletzt werden. In den meisten Fällen gehen ein Ausfall oder Irritationen des Geschmackssinns nach einigen Wochen wieder zurück. Dauerhafte (halbseitige) Lähmungen im Gesicht sind sehr selten. Nach der OP können Schwindel und/oder Übelkeit auftreten, der meist nach Tagen wieder zurückgeht. Ein dauerhafter Ausfall des Gleichgewichtsorgans ist sehr selten. Es wird empfohlen, regelmäßig sich impfen zu lassen gegen Erreger einer Hirnhautentzündung (Pneumokokken, Haemophilus influenzae Typ B, Meningokokken, etc.)! Die Hirnhautentzündung kann insbesondere in Folge einer Mittelohrentzündung entstehen.

Wie wichtig ist die Nachsorge? Sehr wichtig für einen guten Hörerfolg ist auch eine gute Nachsorge: d.h. es sollten regelmäßig Anpassungen des CI erfolgen! Bei mir waren es im 1. Halbjahr seit der Erstanpassung (EA) etwa 6 Anpassungen in immer grösserem Abstand, danach etwa alle 3 Monate bzw. nach Bedarf. Hier scheint in einigen Kliniken einiges im Argen zu liegen: so erlebte ich einen Fall in Bad Nauheim, der 6 Monate nach der EA immer noch sehr schlecht hörte und verstand. Grund war, dass sie in diesem Zeitraum in ihrer Klinik zuhause nur 2 Anpassungen hatte! Die Anpassungen erfolgen entweder ambulant (Dauer etwa 2 Std.), wie z.B. bei mir oder stationär im Block über mehrere Tage.

Ich persönlich kann die Anpassung im Block nicht empfehlen, da es bei mir bisher immer mehrere Tage und Wochen dauerte, bis ich wieder eine neue Anpassung tolerieren konnte und/oder ein "Schub" das Hörempfinden stark, meist zum besseren, verändert hat.

Was bedeutet hier ein "Schub"? Es ist nicht so, dass der Höreindruck stetig besser wird mit jeder Anpassung, sondern es erfolgt in Phasen, Umbrüchen, die auch erst nach Tagen und Wochen nach einer Anpassung auftreten können. Man merkt, dass man plötzlich über Nacht völlig neue Dinge hört oder nicht mehr hört oder der Klang von Dingen und Geräuschen sich verändert. Ein Schub kann auch erst mal bedeuten, dass man in der folgenden Phase schlechter hört und versteht, um dann in der Phase darauf umso besser zu hören und zu verstehen als zuvor, ein Auf und Ab wie bei einem Jojo. Ich stelle mir das bildhaft so vor, dass dann in Phasen die Synapsen im Gehirn neu verdrahtet werden... ;-) Oder als Informatiker gesprochen: das Gehirn macht dann ein Update seiner Software! :)

Was passiert bei der Erstanpassung (EA) und danach? Zuerst wird einem der Koffer mit dem Zubehör für das CI und der Signalprozessor und dessen Handhabung gezeigt. Danach erfolgt die Anpassung: es werden für jeden Kanal bzw. Elektroden(-paar) Töne ausgegeben, für die man die Lautstärke auf einer Skala angeben soll. Die Lautstärke soll dann zwar laut, aber nicht zu unangenehm laut sein (Bestimmung der C-Levels). Dann werden die Töne benachbarter Kanäle zu hören sein, bei denen man angeben soll, ob sie gleich laut klingen. Bei Cochlear bestimmt man auch die T-Levels, d.h. den leisesten Punkt, ab dem man einen Ton wahrnimmt. Bei Med-El werden die T-Levels grundsätzlich auf 0 gesetzt. Nach dieser Anpassung wird der Signalprozessor aktiviert und der große Moment ist da!? Wie klingt es? Insbesondere einige Spätertaubte sind jetzt tatsächlich sofort in der Lage zu hören und zu verstehen, Geräusche zu erkennen und/oder was der Audiologe zu ihnen sagt!
Sehr oft aber wird es so sein, dass man erst mal wenig hört und jedes durchkommende Geräusch nur eine Abfolge von Pieps- oder Gong-Tönen! Nach einigen Tagen und Wochen verliert sich dieser Eindruck und man hört dann langsam immer differenzierter. Lange Zeit war es bei mir so, dass Gesprochenes eine Abfolge von Gongs war mit einem Gong bei jeder Silbe. Zur Erklärung: die Pieps-/Gongtöne sind die Grundfrequenz der Stimulation durch das CI! Das Gehirn lernt dauerhafte, gleichförmige Reize zu ignorieren, somit hört man es nach einiger Zeit nicht mehr!
Bei langjähriger (partieller) Taubheit kann es sein, dass man zuerst Töne nicht "hört", sondern "spürt" als Ziepen, d.h. leichte elektrische Schläge! Dies trat bei mir insbesondere im Hochtonbereich (hier hörte ich bisher nie) immer wieder auf bei entsprechend starker Stimulation (bzw. Lautstärke). Nach Tagen, Wochen, Monaten wandelt sich das Ziepen in Töne - oft erst nach einem "Schub" - um!
Letztendlich hat es bei mir 3 Monate nach dieser EA gedauert bis zum ersten "Schub", der über Nacht kam!  Ab diesem Zeitpunkt konnte ich endlich und plötzlich dann die Umweltgeräusche deutlich differenzierter hören, zuordnen und dann auch etwas verstehen, zuerst verschwommen, dann immer klarer: man verwechselt Vokale, Umlaute und Konsonanten, so hatte ich Schwierigkeiten zu unterscheiden a von ä, u von i, i von e, e von ä, b von w, o von u, ... (lässt sich weiter fortsetzen... der Prozess hat große Ähnlichkeit mit dem Erlernen einer Fremdsprache!) Das Zauberwort für CI-Träger ist vor allem Geduld!

Was ist das Ziel bei den Anpassungen? Nach der EA folgen in immer größerem Abstand weitere Anpassungen, bei denen man langsam und schrittweise die Lautstärke und Pulsraten des CI über alle Frequenzbänder soweit erhöht, wie der CI-Träger es individuell tolerieren, ertragen kann. Es wird angestrebt, dass die Hörschwelle bei 20 dB liegt. Es muss langsam und schrittweise erfolgen, denn es soll dann ja möglichst nicht so laut werden können, dass es zu unangenehm wird oder schmerzt! Die Nerven und das Hörzentrum müssen sich langsam an die neuen Reize gewöhnen und lernen, damit umzugehen. Je lauter es wird, desto deutlicher, detaillierter wird der Höreindruck, desto mehr  Geräusche aus der Umwelt wird man dann hören, erkennen und desto natürlicher wird es dann klingen.
Der Ablauf bei der Anpassung ist ähnlich wie bei der EA: man gibt an für jeden Stimulationskanal bzw. Elektrode, wann der Ton laut, aber nicht zu unangenehm ist und versucht im 2. Schritt anzugeben, ob 2 nacheinander abgespielte Töne benachbarter Kanäle gleich laut klingen. Man kann diesen Prozess wiederholen für bis zu 4 Programme, bei denen man die Strategie, die Lautstärken (C- u. T-Levels) und/oder Pulsraten der einzelnen Stimulationskanäle bzw. Frequenzbänder etwas verändern kann.
Zwischen den Anpassungen kann man selbst die Lautstärke des CI mit der Fernbedienung nach Bedarf etwas anpassen und die Programme wechseln.

Wie kann ich die Qualität des Hörens und das Sprachverstehen fördern? Mit häufigem Musikhören! Musik macht Spaß! Es klingt für mich viel besser, als es jemals mit HG möglich war und ist. Durch "beherztes", angenehm bis sehr lautes Hören der Musik toleriert man eher auch nach und nach laute Töne, Schlagzeug und Klänge. Durch diese Gewöhnung akzeptiert man Schritt für Schritt auch allgemein immer lautere Geräusche, was man zuerst eben eher nur bei der wohlklingenden Musik tolerierte. Dadurch kann man schrittweise die Dynamik erweitern, wenn man bei folgenden Anpassungen oder selbst an der Fernbedienung die Lautstärken bzw. die Stimulation erhöhen kann. Je grösser die Dynamik, desto besser ist das Sprachverstehen, insbesondere auch im Störlärm!
Weiter helfen noch Übungen beim Logopäden oder zuhause am PC mit Audiolog oder durch das Hören - berieseln lassen (!) - von Hörbüchern, Podcasts, Radio-Streams (z.B. mithilfe der Induktionsschleife CM-BT2) und nicht zuletzt durch das tägliche Tragen und Nutzen des CI bei allen Aktivitäten über den langen Tag!

Wie sollte im Vergleich dazu eine Hörgeräte-Anpassung erfolgen? Durch die meist sehr lange, jahrelange, Hörentwöhnung (siehe Frage "Was ist Hören?" oben) sind daher auch Hörgeräte schrittweise anzupassen! "Frischlinge", die zum ersten Mal Hörgeräte erhalten sollen, klagen häufig darüber bei der 1. Anpassung, wenn diese auf die Hörschwelle des Hörgeminderten eingestellt werden, dass die Geräusche sehr unangenehm laut klingen! Das ist normal, man hört plötzlich wieder die nicht mehr gewohnten Dinge sehr deutlich, die man sehr lange nicht mehr hörte. Der Akustiker sollte zuerst die Hörgeräte deutlich leiser stellen, so dass es für den Hörgeminderten noch angenehm ist und dann schrittweise im Rhythmus von 2 Wochen die Lautstärke anheben. In meinem Fall benötigte ich dafür immer mehrere Monate, bis die jeweils neuen Hörgeräte, die immer jeweils etwas mehr von meinem Hörrest rauskitzeln konnten, optimal, d.h. bestmöglich, eingestellt waren auf die verschiedensten Situationen im Alltag. Das letzte Mal waren es insgesamt 9 Monate!

Ist ein Reha-Aufenthalt in Bad Nauheim, St. Wendel oder anderen CI-Rehabilitationskliniken sinnvoll? Ja, sehr. Man sollte das aber erst etwa 6 Monate nach der EA machen. Vorher hat man eventuell noch zu wenig Hörerfolg, um vom Training über 4-5 Wochen in der Reha-Klinik wirklich profitieren zu können.

Gibt es auch "fiese" Geräusche? Ohh, ja! Mit jeder neuen Runde nach einer Anpassung ist vor allem das Klappern von Geschirr, das Klackern auf den Computertastaturen meiner Kollegen, das Knistern und Rascheln von Papier und Folien oder das Auftreffen des Wasserstrahls im Waschbecken oder in der Dusche auf die Keramik eher unerträglich und unangenehm! Es sind hochtönige Klangbilder mit Frequenzen und Töne, die vor dem CI jenseits meines Horizonts waren und nun ich mich bzw. mein Gehirn sich daran gewöhnen muss. Auch deswegen können die Anpassungen nur schrittweise in kleinen Häppchen erfolgen. Schlimm sind auch z.B. Metallsägen auf Baustellen!
All diese Empfindungen sind individuell unterschiedlich, hängt alles von der Hörbiographie ab und doch, ganz langsam gewöhnt man sich daran bis zur nächsten Anpassung! ;-)
Und noch was, bitte diese Geräusche nicht meiden! Sondern rein in's Gewühl! Sonst wird es nicht besser!!! Lernen ist anstrengend!

Was hat es sich mit den im Blog erwähnten Irritationen auf sich? Gerade nach jeweils einer Anpassung erfolgt die Stimulation lautstärkemäßig wieder am oberen Limit. Neben den Hörnervenfasern sind in der Region zwischen Cochlea und Implantat noch viele andere Nerven für Schmerzempfindungen, die Gesichts- und Geschmacksnerven. Bei der Stimulation fließt zwischen einer Elektrode und dem Massepunkt des Implantates ein Strom. Ebenso fließt auch zwischen den Spulen des Sprachprozessors und des Implantates per Induktion ein Strom. Somit werden neben den Hörnervenfasern auch die genannten anderen Nerven mitgereizt. Erfolgt die Stimulation ungewohnt stark, sei es kurz nach der Anpassung oder durch ein sehr lautes, hochtöniges Geräusch, kann es sein, dass sich folgende Irritationen bemerkbar machen: d.h. ich habe/hatte dann folgende Symptome: Prickeln der Haut unter der Spule, Juckreiz auf der Kopfhaut in der Region des Implantates, Juckreiz in der Nasenspitze, Juckreiz im Gesicht und Taubheitsgefühl auf den Wangen oder auf der Zungenspitze. Diese Eindrücke vergehen nach einigen Tagen, da die Nerven und das Gehirn dann lernen, dass diese andauernd wirkenden Reize normal sind und ignorieren dann diese Dauer-Reize. Dieses Spiel kann sich allerdings bei jeder Anpassung wiederholen, da dann die Stimulation gewöhnlich verstärkt wird. Oft taucht das Phänomen auch erst nach Tagen oder Wochen nach einer Anpassung bei einem "Schub" auf. Es hilft dann, ggf. die Lautstärke selbst insgesamt leicht zu reduzieren oder man lässt wieder eine Anpassung machen (da ggf. nur eine Elektrode/Frequenz diese Irritationen verursacht), falls die Irritationen zu stark sind. Diese Irritationen hat nicht jeder und sind individuell sehr unterschiedlich!

Kann ich telefonieren mit dem CI? Ja, aber noch sehr begrenzt! Die Telefone sind sehr laut, aber der Klang ist meistens doch noch sehr fremd, ungewohnt: sehr helltönig und kastriert! ;-) Es fehlt was! (Hier macht sich wohl bemerkbar, dass neben der eher miserablen Qualität der Hörer der Telefone und Handys POTS ("plain old telephone service", d.h. das gute alte Analog-Festnetz) eben nur zw. 300 Hz bis 3,4 kHz überträgt. Im Mobilnetz ist es deutlich besser. Im ISDN ist es nur dann besser, wenn beide ISDN nutzen, oder vom Mobilnetz kommen.) Solche Unterschiede zu hören, war für mich früher unmöglich. Jetzt muss ich nur noch lernen zu verstehen, was ich da höre! ;-)

Am besten geht es momentan per Induktion/T-Spule und/oder mit meinem Motorola Defy, zufällig gehört es zu den Smartphones mit bester Akustik, es hat tatsächlich vergleichsweise sehr gute Lautsprecher: siehe dazu den Vergleich von www.connect.de.

Zusammengefasst (Stand Oktober 2012): Konnte früher auf dem Ohr nie telefonieren - jetzt kann ich mit bestimmten Personen kurze Unterhaltungen führen mit Wiederholungen bzw. muss öfters noch auf die andere Seite wechseln. Ich benötige für solche Situationen noch sehr viel Training!!!

Stand Mitte Dezember 2012: hatte in den letzten Tagen wieder einen Schub, teilweise recht unangenehm, da die fiesen Dinge wieder sehr laut wurden - aber hallo - plötzlich verstehe ich am Telefon mit CI deutlich besser... :-) Übung und Geduld machen hier den Meister!

Stand April 2013: mit dem 2. CI links kann ich nun fast sofort besser telefonieren als rechts nach 15 Monaten Übung!

Stand 2015: mit den meisten Menschen kann ich nun gut telefonieren, links etwas besser als rechts. Das rechte Ohr hat sich nun sehr dem links angenähert.

Bleibt das natürliche Restgehör erhalten? In der Regel muß man damit rechnen, dass, auch bei atraumatischer Insertion, das eventuell vorhandene Restgehör nicht erhalten bleibt! In meinem Fall ist zwar die Knochenleitung dieselbe wie vor der OP dank der atraumatischen OP, aber es kommt von aussen über den Schall nichts mehr an: die Schallleitung ist blockiert. Offensichtlich stört der in der Cochlea liegende Elektrodenträger die Schallwellen in der Lymphe.

Welches CI habe ich? Rechts und links Med-El Opus2 XS mit Implantat Concerto und Elektrodenträger Flex28 (links)/FlexSoft (rechts).

Welche Hersteller eines CI gibt es? Verbreitet in Deutschland sind Advanced Bionics, Cochlear und Med-El. Weniger bekannt ist Neurelec aus Frankreich. Eine Übersicht dazu ist hier zu finden unter Punkt 6 oder neu hier für 2013.

Welche Vor- und Nachteile haben die verschiedenen CI-Systeme? Eine Aufstellung der technischen Eigenschaften ist ebenfalls hier zu finden unter Punkt 6 bzw. neu hier für 2013. Es ist m.E. insbesondere abzuwägen zwischen den Punkten:

  • Handhabung des Signalprozessors, Design (z.B. Bedienung nur über Fernbedienung oder auch Schalter am Signalprozessor vorhanden? Signalprozessor wasserdicht? Sitz am Ohr?)
  • Philosophie:
    1. Signal pur (250 Frequenzkanäle, sequentiell/parallel) + Kompression/Vorfilterung mit ASM + FineHearing mit Kodierung der Feinstruktur, 1 Mikrofon (Med-El) - das Gehirn lernt durch die Informationen durch FineHearing, selbst die Störgeräusche zu filtern, insbesondere zusammen mit einem 2. CI - wie gut das funktioniert ist individuell unterschiedlich, oder
    2. Signal pur (120 Frequenzkanäle, parallel) od. mit Vorfilter (ClearVoice, Zoom), 2 Mikrofone (Advanced Bionics) oder
    3. Signal (bis zu 160 Frequenzkanäle, sequentiell) mit Vorfilter (für Alltag, Lärm, Zoom, ...) und 2 Mikrofone (Cochlear), automatischer oder manueller Wechsel der Programme je nach Situation.
  • Wahl des Implantats: Größe, Material, Magnet entfernbar?
  • Art der Stimulation (parallel, sequentiell), Kodierungsstrategien
  • Maximale Pulsraten
  • Anzahl Frequenzbänder/-kanäle / unterscheidbare Tonhöhen / "virtuelle Kanäle" (synonyme Begriffe für denselben Sachverhalt)
  • Länge des Elektrodenträgers
  • Ist eine schonende, atraumatische Einführung des Elektrodenträgers möglich? Eine weitestgehende Erhaltung der Strukturen in der Cochlea ist sinnvoll für größtmöglichen Hörerfolg, u. z.B. auch für spätere Reimplantationen oder Anwendung anderer Lösungen (z.B. Stammzellen).
  • Entwicklungspotential des Implantats bei Änderungen/Update des Signalprozessors: wichtig, um von Weiterentwicklungen profitieren zu können.
  • Welches Potential bietet das CI-System für das Sprachverständnis im Störlärm an?
  • Welches Potential bietet das CI-System für genußvolles Musikhören an (wichtig ist hier vor allem die Anzahl unterscheidbarer Töne/Tonhöhen u. Kodierungsstrategien mit hochauflösendem Frequenzspektrum)?
  • Welches Potential bietet das CI-System für das Verstehen von tonalen Sprachen (z.B. Mandarin) an (wie beim Musikhören auch hier ist wichtig insbesondere die Anzahl unterscheidbarer Töne/Tonhöhen u. Kodierungsstrategien mit hochauflösendem Frequenzspektrum)!?
  • Unterstützung/Ankopplung von Zubehör möglich über Kabel, Induktion od. Funk?
Mit den Implantaten der Hersteller AB, Cochlear u. Med-El sind jeweils ähnlich gute Hörerfolge erzielbar.

Leichte Vorteile scheint mir allerdings hier das Opus2 (od. Rondo) von Med-El mit Implantat Concerto/Pulsar/Sonata zu haben gerade für den Musikgenuss mit höchsten Chancen auf gutes Sprachverständnis und beste Ergebnisse auch im Störlärm. Die Kombination der oben genannten Eigenschaften aus möglicher Pulsrate, paralleler Stimulation und Anzahl virtueller Kanäle erlaubt es Opus2 im aktuellen Vergleich, das potentiell differenzierteste Klangbild zu erzeugen. Dies bestätigen laut Hörensagen bilaterale CI-Träger mit Misch-Versorgung, d.h. mit Implantaten zweier Hersteller, hier Cochlear und Med-El, dass demnach "Med-El feiner klinge als Cochlear". Je länger ein Elektrodenträger ist, desto tieftöniger wird der erste Höreindruck sein. Dies ist sehr individuell. Ich kann das nicht direkt bestätigen, da ich keine Misch-Versorgung habe, aber kann für Med-El bestätigen, dass tatsächlich die hochauflösendste Kodierungsstrategie (FS4p, siehe CI-Vergleich 2013, Anzahl Frequenzkanäle) für mich tatsächlich am feinsten sich anhört, es kommt also im Oberstübchen an! ;)

Ich, in meinem Fall mit der FlexSoft (31mm), habe den Eindruck, dass es sowohl tief- als auch hochtöniger klingt als das HG auf der anderen Seite! Hochton ist klar, da diese Frequenzen das Hörgerät nicht übertragen kann. Aber der Tiefton auf meinem CI hat auch mehr Bass! Wählt man einen kürzeren Elektrodenträger, z.B. für Cochlear oder auch für ein EAS, wenn es reprogrammiert wird als normales CI, nachdem ggf. das Restgehör weg ist (Zitat: "alles ist kreischig"): man muss dann damit rechnen, dass man besonders auch die Zuordnung der Töne neu lernen muss, also wie tief oder wie hoch ein Ton klingt (siehe Tonotopie). Nach einem Gewöhnungs- und Lernprozess wird das wieder einem als normal erscheinen! Wobei dieser Prozess erschwert wird, falls man auf der anderen Seite ein HG trägt, weil man dann noch eine Vergleichsmöglichkeit hat.
Im folgenden Link ist ein Papier von Med-El zu finden, das die Ergebnisse verschiedenster Studien gesammelt darstellt und vergleicht: http://www.medel.com/data/pdf/20280.pdf. Ist ein guter erster Anlaufpunkt, um selbst weiter anhand der Quellenangaben zu recherchieren! ;-)

Welche Kodierungsstrategie verwende ich? Ich hatte bisher die Gelegenheit, die Strategien FSP, FS4 und FS4p zu testen. Aktuell verwende ich FS4p. Die Klangbilder sind insgesamt sehr ähnlich mit leichten, subtilen Unterschieden, und doch klingt für mich insbesondere im Tieftonbereich gerade die neueste Strategie FS4p am vergleichsweise "feinsten", differenziertesten! Es verwendet parallele Stimulation, d.h. parallele Ansteuerung der tiefsten 4 Elektroden bzw. Kanäle für den Tieftonbereich für die zeitliche u. örtliche Kodierung der Oberwellen bzw. der Feinstruktur (Stichwort FineHearing). Ein Wechsel zw. den Strategien bedeutet, den Klang und die Laute neu lernen zu müssen über Wochen u. Monate, da ich bei FSP und/oder FS4 Sprache doch erst mal deutlich schlechter verstehe. Da diese Strategien für mich "gröber" klingen, macht ein solcher Umstieg keinen Sinn für mich.

Bereue ich es, es getan zu haben? Nein! Ich höre und verstehe nun insgesamt deutlich besser als jemals zuvor (jetzt 1 Jahr nach der EA etwa 70% Einsilber statt 10% vor der OP)! Der Lernprozess ist noch nicht zu Ende - das Hören und Verstehen wird immer besser! Die Mühe und der Aufwand (Anpassungen, Training, Logopädie) lohnen sich, die bisher hier im Blog beschriebenen "Schübe" und Irritationen sind erträglich und meist schon nach einigen Tagen vorbei.

Gibt es auch unerwünschte Nebenwirkungen? Ein CI reizt mit kleinen Strömen die Hörnerven, um so einen Höreindruck zu erzeugen. Nun, je nach Anatomie des CI-Trägers und individuellem Verlauf der Kopf- und Gesichtsnerven etc. in der nächsten Umgebung kann es hier zu unerwünschten Mitreizungen dieser Nerven kommen. Dies äussert sich im harmlosen Fall in Kribbeln, Jucken im Gesicht (siehe Irritationen oben) oder Taubheitsgefühl z.B. in/auf der Zunge. Unangenehmer sind dagegen das mögliche Zucken von Augenlidern oder -brauen. Fies sind ebenso mögliche, sporadische Muskelkontraktionen am Hinterkopf bei plötzlichen, lauten Geräuschen.
Gerade wenn man hohe Impedanzen hat, muss man mit grösseren Ladungen (Spannungen u. Strömen) arbeiten und es steigt somit das Risiko, dass unerwünschte Reizungen der benachbarten Nerven wie gerade beschrieben auftreten!
Passiert das, schaltet man in solchen Fällen ggf. den betroffenen Kanal bzw. Elektrode ab, falls lokalisierbar, oder begrenzt die Lautstärke, falls ausreichend, es soll insbesondere auch helfen, mit kleineren Spannungen, aber längeren Phasen, zu arbeiten, um so dieselbe Lautheit zu erzeugen. Handelt es sich nur um zeitweise, sporadisches, leichtes Kribbeln, Jucken oder Taubheitsgefühl können diese Symptome nach einiger Zeit mit der Gewöhnung von selbst verschwinden.
Noch ein Hinweis: hier hat gerade Med-El neu (noch in der Entwicklung) zusätzlich auch die Möglichkeit, mithilfe triphasischer statt gewöhnlich biphasischer Stimulation, das mögliche Risiko von unerwünschten Mitreizungen noch weiter zu reduzieren, ggf. gewinnt man damit auch wieder zusätzlichen Spielraum, um gute, noch bessere Höreindrücke zu erzeugen - d.h. besseres Sprachverstehen zu ermöglichen - da man die Lautstärke dann nicht so sehr begrenzen muss und somit man mehr Dynamik zur Verfügung hat!

Wie habe ich den Mut gefasst, diesen Schritt zur Implantation zu wagen? Ich bin von Geburt an an Taubheit grenzend hörgeschädigt. Erkannt hat man es etwa im 4. Lebensjahr! Dank unfähiger Ärzte und Akustiker war man aber nicht in der Lage, mir passende Hörgeräte anzupassen. Muss schon ganz früh gelernt haben, von den Lippen abzusehen. Hörte so gut wie nichts, nur wenn man mich max. mit 1/2 m Abstand ansprach, verstand ich etwas. Die Sprache und Wortschatz habe ich erst dann wirklich entwickelt, als ich mit etwa 6 zu lesen lernte - seitdem verschlang ich ganze Bücherschränke - ich war DER Bücherwurm! ;) Erst im 11. Lebensjahr, nachdem ich in der Uniklinik Heidelberg vorgestellt wurde, bekam ich die ersten halbwegs passenden Power-Hörgeräte, damals noch analog mit einer einfachen Tonblende. Ab diesem Zeitpunkt habe ich in den Schulen sehr schnelle Fortschritte gemacht...
Danach im Abstand von 6-8 Jahren bekam ich dann jeweils neue, stärkere, digitale HG, die mein Hörvermögen jeweils etwas verbesserten: zuerst sehr laut und eher unangenehm klangen und somit schrittweise über Monate angepasst wurden, bis die Geräte voll ausgereizt waren und ich den Klang und die Lautstärke als normal empfand.
Diese Erfahrungen gaben mir die Zuversicht, dass ich mich auch an die neuen, um so gewaltigeren Eindrücke durch ein CI über kurz oder lang anpassen könnte. Andererseits hatte ich mit den Jahren immer größeren Hörstress mit immer öfter auftretenden Migräne-Attacken u. Burn-Out-Symptomen:  will so sagen, mein Kombinationsvermögen aus Lippenabsehen und Hörresten hat immer mehr nachgelassen - der Druck zu einer Änderung wurde damit immer grösser! Dazu kam, dass ich auf dem rechten Ohr im Vergleich zum linken Ohr noch kaum Restgehör hatte, d.h. zum Gesamthöreindruck und Sprachverstehen kaum mehr einen Beitrag leistete.
Gebärden und anderes dagegen waren und sind in meinem Umfeld nicht sinnvoll anwendbar.

Das ist mir alles zu unsicher/ungewiss: lohnt es sich, auf neue Technologien und Therapien zu warten, um von den weiteren Fortschritten profitieren zu können? Meiner Meinung nach: Nein!

Zur Begründung muss ich etwas ausholen: In der Forschung werden neue Ansätze untersucht wie z.B. die Stimulation der Hörsinneszellen mit Infrarotlicht oder die (Wieder-)Herstellung der Hörsinneszellen/Nervenzellen mithilfe von Stammzellen.

Nähere Infos dazu könnt ihr unter folgenden Links nachlesen:
http://www.regional-vor-ort.de/2012/03/Licht-hoeren_21026.html



Es sind vielversprechende Ansätze:

  1. Ein Implantat mit einem Träger mit etwa 200 LED's statt bis etwa 20 Elektroden kann  mithilfe der Überlagerung der Stimulation benachbarter LED oder bzw. Elektroden mehr als 1000 "virtuelle Kanäle" statt 250 (bei Med-El mit 12 Elektrodenpaare u. paralleler Ansteuerung) erzeugen. Somit lassen sich damit noch feinere, detailliertere Frequenzspektren erzeugen und somit das Hören/Verstehen von Musik u. (auch tonalen) Sprachen optimieren. Knackpunkt hier ist, eine übermäßige Erwärmung des Gewebe durch das Infrarotlicht zu vermeiden!
  2. Im Tierversuch mit Wüstenrennmäusen gelang es, die Hörsinneszellen tauber Mäuse neu wachsen zu lassen mithilfe von Stammzellen innerhalb von wenigen Wochen. Auszuschließen für die Anwendung am Menschen ist hier aber noch die Gefahr von Wucherungen u. Krebs!
Man muss sich aber klar machen, dass es sehr lange dauert, 10 Jahre und mehr, bis solche Ansätze aus der Forschung vielleicht die klinische Praxis erreichen! Die neuen Therapien müssen den Zulassungsprozeß der FDA, EMA oder nationaler Behörden überstehen. Bisher gab es aus diesem Grund "nur" evolutionäre, vergleichsweise kleine, zumeist kompatible Neuerungen bei den CI' s der 3 grossen Hersteller.

Das Leben spielt aber jetzt! Die Lebensqualität müsst ihr jetzt verbessern wollen! Eine Entscheidung, auf eine andere Entwicklung zu warten, bedeutet, eben kein  CI zu wollen und somit lange keine wesentliche Verbesserung seiner Situation erwarten zu können!


Bei allen Ansätzen ändert sich nichts daran, das zur Verbesserung nach der OP ein langwieriger, jahrelanger Anpassungsprozess nötig ist! Hören und Hörverstehen ist hauptsächlich, vor allem anderen, ein kognitiver Prozess des Gehirns, der aus den ankommenden Reizen einen Höreindruck entstehen lässt, verarbeitet und zuordnet. Und: je länger man wartet, d.h. um so länger man taub ist, desto schwieriger wird es, wieder zu gutem Hörerfolg zu kommen unabhängig vom Ansatz!

Auch mit den aktuellen Implantaten insbesondere von Med-El und Advanced Bionics sind in Zukunft mit neuen Audioprozessoren und Kodierungsstrategien deutliche Verbesserungen zu erwarten. Wird schonend, atraumatisch implantiert, hat man ggf. bei einer nötigen Reimplantation die Möglichkeit, von den dann aktuellen Neuerungen bei Implantaten usw. zu profitieren.

Zu einer Stammzelltherapie möchte ich noch auf einen Punkt hinweisen: leider kann man die Mäuse ja nicht fragen, wie sie sich bei der Prozedur sich gefühlt haben!? Wird für sie grässlich gewesen sein! Denn, vermutlich wird man den Wachstumsprozess der Hörsinnes-/Nervenzellen aus den Stammzellen nicht so kontrolliert steuern können, dass ein Anpassungsprozess für uns Menschen über 1 bis 3 Jahre sich eher angenehm gestalten ließe?

Wird es CI's mit noch mehr Elektroden geben? Ich denke, nein! Bekanntlich haben die CI's aller Hersteller zw. 16 bis zu ca. 24 Elektroden in ihren Elektrodenträgern verbaut, wobei bei Med-El die Besonderheit gilt, dass hier je bis zu 2 Elektroden seitlich als Paar angeordnet und somit in der Cochlea denselben Ort stimulieren, d.h. es sind bei Med-El immer 12 sogenannte Stimulationsorte bzw. -kanäle. Bei Cochlear sind es dementsprechend 22 und bei Advanced Bionics 16 Stimulationskanäle. Dafür können Med-El und Advanced Bionics die Elektroden einzeln parallel ansteuern und Cochlear "nur" je eine 1 Elektrode zu einem Zeitpunkt. Studien zeigen, dass der Hörerfolg erst merklich abnimmt, wenn weniger als 8 Elektroden bzw. Stimulationskanäle zur Verfügung stehen. Anders gesagt, der Hörerfolg bei heutigen CI's hängt nicht von der Elektrodenzahl ab, sondern eher von einer guten Kodierungsstrategie, die ein möglichst hochauflösendes Frequenzspektrum mithilfe Stromsteuerung generieren - so dass mithilfe der Überlagerung der Stromladungen weitere Zwischentöne erzeugt werden. D.h. somit werden auf diese Weise weitere "virtuelle Elektroden" simuliert! Solches kommt eher von Med-El oder Advanced Bionics. Vielleicht möchtet ihr dazu das hier nachlesen. Neurelec würde ich laut den verfügbaren Daten aus diesem Grund nicht nehmen, deren Elektronik u. Kodierungsstrategien sind deutlich einfacher, technisch ähnlich wie bei Cochlear. D.h. es lassen sich hier nur 64 Töne (bzw. Frequenzkanäle) unterscheiden. Bei Med-El dagegen bis zu 250 Töne (bzw. hier sind gemeint die Frequenzkanäle). D.h. Klavier hören u. spielen ist bei Med-El prinzipiell kein Problem... CI's mit wesentlich mehr Elektroden wird es nicht geben. Technisch, medizinisch und physikalisch stößt man hier auch an Grenzen (z.B. Übersprechen der elektromagnetischen Felder, zu hohe Feldstärken bei zu kleinen Kontakten, Gefahr des Kurzschluss, zu feine Drähte, ...), auch hat sich gezeigt, dass eine große Kanaltrennung für das Sprachverständnis besser ist. Daher macht das bei der elektrischen Stimulation keinen Sinn, mehr Elektroden zu verwenden. - Vielleicht kommt ja irgendwann ein Implantat auf den Markt auf Basis der Stimulation mit Infrarotlicht, siehe oben.

3 Kommentare:

  1. Vielen Dank für Informationen. Sehr wertvoll!

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    1. Hallo Ludmila, schön, dass es Dir hilft! ;) Wenn ich mich nicht irre, kennen wir uns aus Bad Nauheim, oder? Gruss, JH.

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  2. Hallo, danke für die umfangreiche Erklärung des CI. Ich habe mich schon gefragt was für ein Hörgerät der nette man an der Kasse trägt.

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