Am 23.06.2011 kam in der Sendung "Kontraste" der ARD ein Beitrag über die Hörgeräteversorgung in Deutschland:
Nach Lesen des Textes und Ansehen des Beitrages muß ich einige "Umgereimtheiten" feststellen?!
Diese "Berichterstattung" war tendenziös, parteiisch und wird der Komplexität einer Hörgeräte-Anpassung nicht gerecht - die Autoren haben keine Ahnung von der Problematik!
Hier dazu auch die Stellungnahme des DSB zu dieser Sendung. Die kann ich uneingeschränkt unterschreiben!
Mir ist in der Sendung noch weiteres aufgefallen:
Die Hörkurve des vorgestellten Rentners war kurz zu sehen, es handelt sich hier um einen starken Hochtonabfall, bei dem ich sehr starke Zweifel habe, daß dieser mit zuzahlungsfreien Hörgeräten "gut" versorgbar ist!
Ebenso ist die Reaktion des Rentners bei der ersten Anprobe / Erstanpassung typisch: nach jahrelanger, schleichender Hörentwöhnung hört man mit Hörgeräten wieder die Geräusche, die man lange vergessen hat. Man muß sich erst wieder an die "normale" Geräuschkulisse gewöhnen und das Hören neu lernen! Oft geht eine Schwerhörigkeit auch mit einer Hyperakusis einher, d.h. einer erhöhten, ggf. schmerzhaften, Empfindlichkeit gegenüber Geräuschen/Schall: alles kommt einem dann zuerst sehr laut und unangenehm vor! Dies erschwert eine gute Anpassung von Hörgeräten noch mehr! Bzw. macht es dann möglicherweise unmöglich, zuzahlungsfreie Hörgeräte zu verwenden.
Der größte Nachteil von zuzahlungsfreien Hörgeräten ist, daß die Anzahl der Frequenzbänder in diesen Geräten auf maximal 4 beschränkt ist, d.h. die Anpassung bei z.B. Hochtonsteilabfällen oder "Badewannen"-Kurven mit einer Senke wird damit sehr erschwert. Bei zu wenig Frequenzbändern, können die Geräte in diesen Fällen nicht gut auf die persönliche Hörkurve angepasst werden. Effekt ist, das bei bestimmten Frequenzen eine zu hohe und in anderen Frequenzen eine zu niedrige Verstärkung erfolgt. Das führt zu einem verzerrten Hören und erschwert das Sprachverständnis!
Dies war bei mir auch immer der Hauptgrund, daß zuzahlungsfreie HG bei mir nie gut funktionierten...
Der Argumentation, dass Geräte mutwillig falsch eingestellt werden durch Akustiker, kann ich daher nicht folgen!
Aber seht selbst die Sendung!
Sicher gibt es unter Akustikern, wie in jeder Branche, auch einige schwarze Schafe. Frage mich aber auch, ob man als Neuling nicht oft mit falschen Erwartungen zum Akustiker geht? Leider gaukelt die Werbung der Hörgeräte-Industrie einem vor, wie toll die Systeme alle funktionieren würden und man alles wieder hören würde. - Aber selbst mit den besten Hörgeräten bleibt ein Hörgeschädigter immer noch hörgeschädigt!
Die "First Fit" Einstellung, die der PC anhand der eingegebenen Hörkurve zuerst berechnet, war bei mir noch nie wirklich gut! Die Feineinstellung der ausgesuchten Hörgeräte ist danach ein Prozeß, der Monate dauern kann! Mindestens 3 Typen sollte man testen, davon "müssen" 2 zuzahlungsfrei sein! Ich hatte bei der letzten Anpassung insgesamt mehr als 6 Typen getestet: anhand des persönlichen Hörverlustes wird eine entsprechende Vorauswahl gemacht, welche Geräte möglicherweise geeignet sind. Ich bin dann letztendlich bei 1 Paar "Phonak Naida V SP" in der "oberen Mittelklasse" gelandet, Kosten ca. 4000 €. Das ist aber wohlgemerkt noch nicht das teuerste Gerät gewesen. Andere Geräte waren noch teurer mit über 5000 €, waren aber objektiv und subjektiv für mein Gehör hinsichtlich maximalem Sprachverständnis schlechter! Da hilft nur intensives Testen und Vergleichen - für viele eher leicht und mittelgradig Schwerhörige können im Einzelfall auch Festbetragshörgeräte gute Leistungen bringen. Bei hochgradig Hörgeschädigten, die partiell taub sind, wird die Suche aber sehr schwierig und erfahrungsgemäß eher teuer!
Nach 30 jähriger Erfahrung mit Hörsystemen kann ich aber inzwischen schon recht schnell feststellen, welches der Geräte Potenzial hat oder nur undifferenzierten, unverständlichen Krach erzeugt! Da müssen Neulinge leider erst ihre Erfahrungen machen.